EDITORIAL 3
Generation Stereo
D
ie letzten F ußballfans b ee n d en
gerade ih re W eltm eistersch afts-
feiern, w ährend diese Zeilen en t-
stehen. D ie M edien m üssen n ach dem
Spektakel in B rasilien n u n w ied er a u f
an d ere W eise ih r S o m m erlo ch füllen.
E in beliebtes T hem a lautet: „W ir sin d
viele!“ N ein, n ich t A nhänger des tollen
d eu tsch en T eam s, so n d e rn ü b erh au p t.
D enn der Jahrgang 1964, der heuer exakt
50 Jahre zurü ck lieg t, w ar d er g e b u r-
te n stä rk ste d er B u n d esrep u b lik . N u n
gibt es b ek a n n tlich die G en e ra tio n X,
die G e n e ra tio n G olf, n eu e rd in g s die
G eneration P orno, doch uns bezeichnete
ein R adiom oderator des W D R unlängst
als „G eneration Stereo“.
D a habe ich kurz gestutzt, aber es ist
ja w ahr: M it uns w urde die zweikanalige
M usikw iedergabe populär. D er U m stieg
vom M ono-R adiorecorder zum stereofo-
n en H iF i-T ürm chen w urde A nfang der
Siebziger ebenso als Q uantensprung erlebt
wie für heutige Jugendliche der S chritt
vom sim plen H an d y zum Sm artphone.
U nsere B egeisterung für die dam als zwar
nicht m ehr ganz neue, doch erstm als um
sich greifende Ü bertragungstechnik war
kaum geringer als der H ype um die aktu-
elle U nterhaltungselektronik.
Dass bei den Beatles plötzlich die Stim -
m e n u n d In stru m e n te aus g etre n n te n
K anälen klangen, grenzte an ein kleines
W u n d e r. F asz in ie rt e n td e c k te n w ir,
dass S tim m en aus d e r M itte zw ischen
d en B oxen k am en u n d fo rsch ten ü b er
un sere aus h eu tig er Sicht v ollkom m en
unzulänglichen K o m p o n en ten n ach all
den klanglichen V orzügen, die in frühen
H iFi-Zeitschriften wie STEREO beschrie-
b e n w u rd en . D ie in n e re H a ltu n g u n d
d er S paß an d e r Sache zäh lten allem al
m ehr als das E quipm ent. Sonntags in der
F rü h strahlte der N D R stets einige T est-
signale aus, m it denen m an die korrekte
A ufstellung sowie den phasenkorrekten
A nschluss seiner L autsprecher ü b erp rü -
fen k o n n te, u n d a u f u n serem S chulhof
gab’s n u r zw ei in F achsim peleien v e r-
strickte Pausenfraktionen: diejenigen, die
sich für M ofas begeisterten, u n d uns in
ihrer H ör-W elt lebenden H iFi-Fans, für
die der Besitz u n d A usbau einer Stereo-
anlage höchstes Ziel war.
Für alle später G eborenen zählt Stereo
ebenso zum technischen Inventar wie der
Farbfernseher. U nd was m an als selbstver-
ständlich erachtet, schätzt m an b ek an n t-
lich gering. N u r so lässt sich w ohl d er
seit geraum er Zeit anhaltende T ren d zu
kleinen A ll-in-O ne-G erätchen erklären,
die vielleicht noch zw eikanalig ausgelegt
sind, doch deren integrierte Lautsprecher
so eng beieinanderliegen, dass von einer
B ühnendarstellung nicht m al im A nsatz
gesprochen w erden kann.
H at m an früher in freudiger Erw artung
die Boxen auseinandergerückt u n d fürs
korrekte Stereo-Dreieck auch m al die Ein-
rich tu n g um gestellt, m uss sich n u n die
M usik dem W ohnam biente unterordnen.
U n d das b ed eutet im E rnstfall eins der
angesagten M ono-R adios in einer verlo-
ren en Ecke der Schrankw and.
Jüngst berichtete m ir ein A ußendienst-
ler, dass er m it jungen V erkäufern w ie-
d er kleine S tereo-Sem inare m ach t u n d
ih n en erklärt, w orum es bei dieser T ech-
nik geht und was m it ihr m öglich ist. Sind
w ir tatsächlich schon so weit, beziehungs-
weise w ieder am A nfang? D a ist unsere
G en eratio n Stereo, zu d er ich m ich als
1961 G eb o ren er w ohl ebenfalls zählen
darf, gefordert, in der Fam ilie, dem V er-
w an d ten - u n d F reundeskreis fü r u n ser
H o b b y die T ro m m el zu rü h re n . D e n n
w er einm al Stereo u n d - als Steigerung
- H iFi richtig genossen hat, so zeigt die
E rfahrung, der lern t es zu schätzen und
versteht das verbreitete A udio-Spielzeug
als genau solches.
Matthias Böde
Redakteur Sonderaufgaben
9/2014 STEREO 3
vorherige seite 2 Stereo 2014-09 lesen sie online nächste seite 4 Stereo 2014-09 lesen sie online Nach hause Text ein/aus